Murmeltierfett von der einheimischen Jagd, Kreativität und eine grosse Portion Eigensinn führten zur Gründung der Firma Puralpina im bernischen Frutigen. Heute produziert das Unternehmen weit mehr als nur Murmeltiersalbe.
Wundersalben aus dem Frutigland
Bilder ― David Schweizer, Attila Janes
und Therese Krähenbühl-Müller
Text ― Therese Krähenbühl-Müller
«Schmieren und Salben hilft allenthalben», heisst es im Volksmund. Das galt auch für den Schwiegervater von Andreas Schmid. Der hatte in seinem Haus in Frutigen immer eine Flasche mit warmem «Murmelischmutz», wie das im Dialekt heisst, auf dem Ofen stehen. Sonst helfe nichts mehr gegen seine rheumatischen Beschwerden, sagte der alte Mann. Das gab seinem Schwiegersohn, der eigentlich Automechaniker, aber auch noch passionierter Jäger ist, zu denken.
Die Wildtierfette, die die Basis der Murmeli-Kräutersalbe bilden, sind grundsätzlich ein «Abfallprodukt».
Ein Abfallprodukt verwerten
Die Wildtierfette, die die Basis der Murmeli-Kräutersalbe bilden, sind grundsätzlich ein «Abfallprodukt». Und das, obwohl die heilende Wirkung von Murmeltierfett bereits in alten Medizinbüchern beschrieben wird. Was man damals nur beobachten konnte, wurde mittlerweile im Labor untersucht und belegt. Ein Kilogramm Murmeltierfett enthält 30 bis 80 Milligramm Kortikoide. Diese wirken schmerzstillend und lindern Entzündungen. Andreas Schmid begann also, das Murmeltierfett mit an Märkte zu nehmen, wo er Pelze von der Jagd verkaufte, und dieses Fett zum Verkauf anzubieten.
Der Duft machts aus
«Murmeltierfett ohne Duft ist nicht besonders ‹amächelig›, sagt Silvan Schmid und lacht. Zusammen mit seinem Bruder Reto teilt er sich heute die Geschäftsführung der Puralpina AG, sein Vater arbeitet nur noch im Hintergrund mit. Ein Mann habe seinem Vater an einem Pelzmarkt geraten, das Murmeltieröl mit einer wirkungsvollen Kräutermischung anzureichern. «Das war ein sehr guter Tipp, denn der herbe Kräuterduft unserer Murmeli-Kräutersalbe kommt sehr gut an.»
«Nebst dem Murmeltierfett bilden Gams- und Hirschfett den Hauptbestandteil der Murmelisalbe.»
Sechs Tonnen Wildtierfett
Dass aus ein paar Dosen Murmeltiersalben aber einmal ein Unternehmen mit über 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entstehen würde, hätte damals in den 1980er-Jahren, als Andreas Schmid die ersten Salben in der heimischen Küche herstellte, niemand gedacht. Mittlerweile hat sich Puralpina weiterentwickelt. Jährlich werden von der Firma fünf bis sechs Tonnen Wildtierfett, das sie von Jägern aus der ganzen Schweiz bezieht, verarbeitet. Nebst dem Murmeltierfett bilden Gams- und Hirschfett den Hauptbestandteil der Murmelisalbe.
Schaufenster fürs Frutigland
Im Shop im Vorderhasli, direkt an der Strasse, die von Frutigen nach Kandersteg und damit zum Lötschbergtunnel-Verlad führt und gut frequentiert ist, werden weit mehr Produkte als nur Murmeltiersalbe verkauft. «Wir bieten einerseits regionale Spezialitäten an, weil wir überzeugt sind, dass unsere hochwertigen lokalen Produkte mehr Beachtung verdient haben. Wir wollen ein Schaufenster fürs das Kandertal sein», betont Silvan Schmid. Dieses Geschäftskonzept haben die Brüder auch auf ihre Läden in Zermatt und Luzern übertragen. «Dort bieten wir unsere Eigenprodukte, aber gleichzeitig auch regionale Spezialitäten aus dem Wallis und aus Luzern an.» Zusätzlich wurde das hauseigene Produktesortiment von Puralpina erweitert. Das Thema Wildtierfett löst viele Emotionen aus. Sie wollen aufklären, von der Schweizer Jagd und vom «Upcyling» vom Abfallprodukt Wildtierfett in die Grundlage für 100 Prozent natürliche Salbe erzählen, sagt der Geschäftsführer. Trotzdem haben sich Schmids bewusst entschieden, bei der Weiterentwicklung des Sortiments der Naturkosmetik auf tierische Inhaltsstoffe zu verzichten. «Für diese Entscheidung gab es diverse ausschlaggebende Punkte.
Als die Zweitwohnungsinitiative überraschend angenommen wurde, dachte ich, dass wir unseren Laden dichtmachen müssten, wenn es eine Abstimmung über die Jagd geben und diese plötzlich unerwarteterweise verboten werden würde. Das Zweite war, dass viele Leute gerade auch an Messen und Märkten bei uns an den Stand kamen und sagten, dass sie die Murmeltiersalbe zwar super fänden, aber keine Verwendung dafür hätten, weil sie keine Schmerzen haben.» Der dritte Punkt sei gewesen, dass auch immer wieder gefragt wurde, ob Schmids denn nichts anderes als Murmeltiersalbe herstellen können. «Dieser Mix hat unser angespornt und wir haben die Herausforderung angenommen. Mit der Erweiterung von unserem Produktsortiment mit einer Naturkosmetiklinie auf Baiss von Bienenwachs, Pflanzenölen und weiteren einheimischen Rohstoffen sprechen wir auch ein neues Zielpublikum an.» Zum Beispiel die selbst entwickelte Schweizer Deo-Creme sei sehr gefragt. «Gerade auch viele junge Leute sind sich heute bewusst, dass Deos oft unschöne Inhaltsstoffe haben. Da das bei uns nicht der Fall ist, verkaufen wir unsere Deo-Creme sehr gut. Mit der Aufnahme von aktuellen Naturkosmetik-Trends bleiben wir als Firma relevant und modern.»
«Auch beim eigenen Kräuteranbau hat sich einiges getan. Wir pflanzen Edelweiss, Berg-Hauswurz oder Ringelblume selbst oder mit regionalen Partnern an.»
Keine Konservierungsstoffe – einheimische Rohstoffe
«Wir wollen 100 Prozent natürliche Inhaltsstoffe für unsere Produkte und nicht mit Konservierungsstoffen arbeiten müssen. Eigentlich sind unsere Produkte so natürlich, dass man sie theoretisch essen könnte», betont Schmid. Bei Puralpina wird versucht, Naturkosmetik mit vielen einheimischen Rohstoffen zu entwickeln – mit Bienenwachs, mit Bio-Sonnenblumenöl, mit Bio-Rapsöl, mit Tannenharz aus dem Kandertal. «Auch beim eigenen Kräuteranbau hat sich einiges getan. Wir pflanzen Edelweiss, Berg-Hauswurz oder Ringelblume selbst oder mit regionalen Partnern an. Wir suchen weitere Lieferanten und wollen diesen Eigenanbau in der Region weiterentwickeln. Regionalität ist ein wichtiger Grundsatz für uns.» Vegane Salben gibt es bei Puralpina derzeit noch keine – zu nahe ist das Bienenwachs aus dem Simmental als Grundlage und zu weit weg das Sojawachs, das zum Beispiel aus Brasilien importiert werden müsste. «Aber wir wollen uns stetig weiterentwickeln und es kann gut sein, dass wir in Zukunft auch vegane Salben herstellen werden. Das wäre dann ein sehr spannender Gegensatz zu unserer Murmeltiersalbe, mit der alles angefangen hat.»
SB-Mag-Leserinnen und Leser erhalten bei einer Bestellung bis am 29. Februar 2024, bei Eingabe des Codes «Schweizerbauer» auf der Puralpina-Webseite, 10 Prozent Ermässigung auf das gesamte Sortiment.