2024–06–11T10:10:00GMT+0200
Dabu

«Schweizer Bauer»-Magazin: In einem Ihrer früheren Songs, «Miin Ort», beschreiben Sie das Dorf, in dem Sie aufgewachsen sind. Sie singen über den Metzger und die Bauern. Haben Sie tatsächlich einen Bezug zum Landleben und zur Landwirtschaft? 

Dabu Bucher: Ich bin in Mönchaltorf aufgewachsen, ein Dorf im Kanton Zürich, das damals 3500 Einwohner hatte und viele Bauern. Wir gingen oft zu ihnen und holten Milch. Ich verdiente mir sogar mein erstes Geld, indem ich die Milchkessi von den Bauern zu ihren Milchkundinnen und -kunden brachte. Auch das Fleisch vom Metzger, das er von den umliegenden Landwirten hatte, fand ich schon damals viel besser als jenes aus dem Supermarkt, das von weit herkam.

 

Inwiefern hat Sie die Nähe zum Ländlichen geprägt?

Ich hatte immer Respekt vor Landwirten. Eine Zeitlang galt «Bauer» in gewissen Kreisen ja geradezu als Schimpfwort. Das habe ich nie so benutzt und nie so gesehen. Zudem ist es mir wichtig, mich möglichst saisonal und regional zu ernähren. Nicht nur, weil es aus ökologischer Sicht Sinn ergibt, oder weil ich mich dadurch als besserer Mensch fühle. Vor allem, weil es Spass macht und weil Produkte, die aus der Nähe kommen, einfach tausendmal besser schmecken. 

«Eine Zeitlang galt ‹Bauer› in gewissen Kreisen ja geradezu als Schimpfwort.»

Sie haben Mönchaltorf, das Dorf, das Sie im genannten Lied als «miin Ort» bezeichnen, irgendwann verlassen. 

Schon fürs Gymnasium ging ich nach Zürich. Den Song habe ich vor 20 Jahren in Neuseeland geschrieben, also ganz weit weg von daheim. Darin geht es darum, dass ich den Ort meiner Kindheit sehr geschätzt habe und gern dort aufgewachsen bin. Aber dass ich nicht mehr dorthin gehöre. 

 

Sie lebten danach viele Jahre in Zürich und haben lange versucht, als richtiger Stadtzürcher rüberzukommen. 

Ja, ich habe lange probiert, allen zu gefallen und meine Herkunft aus dem Dorf fast etwas verleugnet. Auch musikalisch. Daran habe ich mich aufgerieben und war eine Zeitlang ziemlich unzufrieden. Während des ersten Lockdowns habe ich viel nachgedacht und neue Songs geschrieben, in denen ich mich wieder zu meinen Wurzeln bekannt habe. Daraus ist das Album «So Easy» entstanden, das 2022 erschienen ist. Es enthält viele Chor-Elemente und auch thematisch nehme ich mich ländlicher Themen an. Wie etwa die Vereinskultur eines Männer- oder Frauenchors. Zudem habe ich für «Sing meinen Song» jodeln gelernt. In diesem Fernseh-Format interpretiert man Lieder anderer Künstlerinnen und Künstler. Ich sang darin unter anderem «Bärgsee» von Oeschs die Dritten – inklusive Jodelteil.

«Ich habe lange probiert, allen zu gefallen und meine Herkunft aus dem Dorf fast etwas verleugnet.»

Inwiefern hat Sie das verändert?

Ich habe akzeptiert, dass ich nie einer sein werde, der mitten in der Stadt Zürich aufgewachsen ist, und dass ich auch nicht so tun muss. Seit da geht es mir besser. Heute ist es mir egal, was die coolen Zürcher aus dem Kreis 4 denken. Ich mache, was ich will. 

 

Steckte auch eine strategische Idee hinter dieser Neuausrichtung. Wollten Sie ein ländliches Publikum ansprechen?

Zuerst nicht. Die Songs sind einfach so aus mir herausgekommen, und ich hatte ein grosses Interesse und eine Faszination für Chorgesänge. Beim Albumrelease haben wir uns natürlich Gedanken darüber gemacht, wie wir auch ein ländliches Publikum abholen können, und haben auf unserer Tour zum Beispiel ganz bewusst nicht nur in den Konzerthallen der grossen Städte gespielt. Auf dem neuen Album «Ciao, Baby, Ciao», das diesen Mai erschienen ist, setze ich wieder auf andere Elemente. Der Chorgesang war für «So Easy» passend. Jetzt kommt etwas Neues.

Dabu

Auch auf der Tour zu Ihrem neuen Album, das Sie gerade erwähnt haben, spielen Sie und Ihre Band nicht nur im Kaufleuten in Zürich, sondern etwa auch im Rössli Stäfa oder im Zeughaus Brig. Auch bei den Festivals. Da Sind Sie zwar auf dem Gurten und am Openair St. Gallen, aber auch an der «Muisiglanzgmeind» in Wolfenschiessen oder am Turnfest in Mönchaltorf.

Ja. Das kommt einerseits daher, dass wir gemerkt haben, dass unsere Musik auf dem Gurten ebenso ankommt wie in einem kleinen Dorfclub. Zudem ist es mir wichtig, diesen vielbeschworenen Stadt-Land-Graben zu überbrücken, an den ich gar nicht richtig glaube. Ich denke, dass die Leute überall gleich sind und dass diese Trennung zwischen Stadt und Land eher heraufbeschworen wird, weil sich gewisse politische Mächte von dieser Trennung einen Vorteil erhoffen. Aber sobald man den Leuten gegenübersitzt, spielt die Herkunft gar keine so grosse Rolle mehr.

 

Sitzen Sie denn den Leuten tatsächlich gegenüber?

Ja, ich sage nach jedem Konzert, «wir sehen uns an der Bar». Tatsächlich gehe ich dann gern mit den Menschen aus dem Publikum etwas trinken. Es gefällt mir, mit ihnen in Kontakt zu sein. Ich interessiere mich für ihre Geschichten und eigentlich für fast alle Themen.

 

Haben Sie noch nie eine schlechte Erfahrung gemacht?

Nicht direkt schlecht, aber es kam schon zu skurrilen Situationen. Als ich vor Jahren für die Spendenaktion von SRF «Jeder Rappen zählt» zu Fuss von Bern nach Luzern unterwegs war und durchs Emmental und Entlebuch reiste. Ich spielte mit meiner Gitarre an verschiedenen Orten, um Geld zu sammeln. Übers Internet kündigte ich das jeweils vorher an. Einmal kam ich in eine Landbeiz. Da sassen genau drei Männer mit einem Stumpen vor einem Bier. Und da kam ich mit meiner Gitarre und meinem Zürideutsch. Sie waren nicht begeistert und spendeten am Schluss je fünfzig Rappen (er lacht). Ich habe es bei einem Lied belassen und bin gegangen. In diesem Fall war es aber eher unser Altersunterschied, der eine Annäherung erschwerte, und nicht der Stadt-Land-Graben. Solche Situationen kann es geben. Ich konfrontiere mich bewusst immer wieder damit, um selbst weiterzukommen. 

 

Gibt es andere Beispiele, in denen so ein Experiment gut funktioniert hat? 

Ja, wir haben am Ende der letzten Tour in Langnau im Emmental gespielt. Um den Ort vorher etwas kennenzulernen, ging ich einen Tag ins dortige Käselager arbeiten. Das war eine gute Erfahrung, und auch das Konzert am Abend war sehr schön. Da war von Stadt-Land-Graben keine Spur. Ich denke, dass es grundsätzlich darum geht, Leute mit Respekt zu behandeln und sich mit ihnen auszutauschen, nur so können wir Vorurteile überwinden. 

dabufantastic.ch

 

 

 

«Heute ist es mir egal, was die coolen Zürcher aus dem Kreis 4 denken. Ich mache, was ich will.»

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