2023–12–14T14:59:00GMT+0100

Selbst wenn alle lecker sind, sind die spannendsten Schokoladensorten die neutralen.

«Schmeckst du die malzige Note? Und bei dieser die Beeren? Hier entfaltet sich ein Aroma von Zitrusfrüchten, und die ist eher blumig.» Laura Schälchli sitzt in Zürich in ihrer Schokoladenmanufaktur Laflor. Hinter ihr klimpern Töpfe, es riecht nach Gemüse. Es wird gekocht und ausprobiert. Im «Provisorium», einer ehemaligen Bäckerei im Zürcher Binz-Quartier, arbeiten noch andere Kulinarik-Schaffende. Schälchli sitzt vor einer Platte mit verschiedenfarbigen Schokoladenstückchen. Weisse, braune Milchschokolade und schwarze mit unterschiedlichem Kakaogehalt, solche mit dem gerösteten Tessiner Maismehl, Farina Bona, drin einige mit Kakaostückchen und wieder andere mit Salz aus der Saline in Bex.

Eine Tafel aus der Winteredition von Laflor.

Selbst wenn alle sehr lecker sind, sind die spannendsten Sorten die neutralen. Jene, die nur aus Kakao und Zucker bestehen. Sie bieten ein ganz anderes Erlebnis als herkömmliche Schokolade. Es sind die Aromen, die sich entfalten, selbst jene Tafeln mit einem hohen Kakaogehalt sind nicht bitter, sondern bringen Genuss und eine sensorische Herausforderung, um all die Aromen zu ergründen.

Die Produkte stellt das Team um Schälchli, die Geschäftsführerin und Co-Gründerin der Manufaktur Laflor, her. Die Kakaobohnen dazu kommen von fünf verschiedenen Herkünften, Origines, wie es im Fachjargon heisst. Eine Origin bezeichnet einen Hof oder eine Gruppe von Bauernfamilien, die Kakao anbaut.

 

Versteckter Schatz

Schälchli kennt sie alle. Es ist zum Beispiel die Bauernkooperative aus Ecuador, die in einem Regenwald, dem Tesoro Escondido, im Agroforst Kakao kultiviert. Der versteckte Schatz, wie der Wald übersetzt heisst, trägt seinen Namen nicht umsonst. In diesem Gebiet sei die Vielfalt der Flora und Fauna unglaublich. Und – «surprise, surprise: Wo Biodiversität herrscht, herrscht auch Aromavielfalt», so Schälchli. Der Kakao von dort sei deshalb ein Gewinn für Laflor. Und für die Umwelt. Denn durch das Projekt der Kooperative wird der Regenwald vor der Abholzung geschützt.

Dann ist da die Hacienda Limon, ebenfalls in Ecuador, betrieben von einer deutschen Firma. Hier bauen fast 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kakao an, «Arriba». Er gehört zur Kakaosorte «Nacional» und ist typisch für Ecuador, wie Schälchen erklärt. Die Sorte sei eine seltene, einheimische, die durch produktivere Sorten bedroht sei. Dank der Hacienda und ihrer Kundschaft wird sie rehabilitiert und erhalten.

Die anderen Kakaosorten bei Laflor sind von Höfen und Kooperativen aus Brasilien oder Venezuela. Sie kommen mit dem Container- oder gar mit dem Segelschiff über den Atlantik.

Laura Schälchli ist Co-Gründerin und Geschäftsführerin der Schokoladenmanufaktur Laflor.

Die Kakaobohnen kommen mit dem Container- oder gar mit dem Segelschiff über den Atlantik.

Viel Zeit

Es sind aber nicht nur die Bohnensorten, die die Schokolade besonders machen. Es ist auch alles, was nach der Ernte kommt. Dann werden die Bohnen fermentiert. Das passiert auf natürliche Weise aufgrund von Hefebakterien in der Luft. Die Bauern müssen den Prozess aber während drei bis fünf Tagen überwachen. Sie müssen die Temperatur kontrollieren und die Bohnen wenden. Gelingt die Fermentation, entweichen die Bitterstoffe des Kakaos und die Aromen entfalten sich. Einen Einfluss auf die Aromen hat auch die Trocknung. Bei der liegen die Bohnen in der Sonne. Während mehrerer Tage. Und alle 30 Minuten wenden die Bäuerinnen sie.

Erst die trockenen Bohnen werden an den nächsten Hafen gebracht und verschifft, bis sie schliesslich bei Laflor ankommen.

So viel Sorgfalt muss belohnt werden. Laflor bezahlt den Bauernfamilien und Kooperativen deshalb mit 3.50 bis 4.40 Franken deutlich mehr als den üblichen Preis und auch mehr als den Fairtrade-Mindestpreis.

 

Kommen die Bohnen bei Laflor an, werden sie geschält, dann zerfallen die Bohnen in kleine Stücke, sogenannte Nibs. Betritt man den Produktionsraum von Laflor, riecht es endlich nach Schokolade. Und ein Surren ist zu hören, im Ofen sind Bleche zu sehen, auf denen unzählige dieser Nibs liegen. Sie werden geröstet, damit sie noch mehr Aromen freisetzen. Das surrende Geräusch kommt vom Steinmélangeur. Eine Vorrichtung, die die Bohnen mittels Granitplatten zermahlt und während 72 Stunden conchiert. Blickt man rein, sieht man die Maschine die zähe, braun glänzende Masse bewegen. Werden daraus Tafeln mit 100 Prozent Kakaogehalt, kommt nur noch etwas Kakaobutter rein. Hat die Schokolade z. B. nur 70 Prozent Kakaogehalt, sind die restlichen 30 Prozent Rübenzucker und bei Milchschokolade auch Schweizer Biomilchpulver. Dank der Reibung entsteht Wärme, die es den Aromen erlaubt, sich zu entfalten. «Die sauren und bitteren Aromastoffe verflüchtigen sich endgültig zugunsten der typischen Aromen von Schokolade», erklärt Schälchli.

«Auch Wein, Bier und Käse finde ich spannend. Schokolade gefällt mir aber besonders, sie hat etwas Herzöffnendes.»

Zum Darunterliegen

Dann reift die Schokolade ein paar Wochen. Erst dann wird sie temperiert und in die Formen gegossen. Dadurch bekommt die Schokolade ihren typischen Glanz und den Biss, oder den «Knack», wie Schälchli sagt. Dieser Produktionsschritt wird gerade im nächstgelegenen Raum ausgeführt. Dort ist es kühl. Aus einem Rohr fliesst brunnenartig Schokolade. Am liebsten würde man sich mit offenem Mund darunterlegen. Doch eine Mitarbeiterin fängt die braune, zähe Flüssigkeit in einer Form auf, bevor man sich nähert. Trotz solcher Einfälle von Besucherinnen hat Schälchli keine Hemmungen, Leute in die Manufaktur zu bringen. Im Gegenteil. Ihr Ziel und das der drei anderen Gründerinnen und Gründern von Laflor war von Anfang an, eine transparente Manufaktur inmitten von Zürich zu eröffnen. Jeden Donnerstag und Freitagabend ist Tag der offenen Tür und alle sind willkommen, dem Prozess zuzuschauen. Schälchli erzählt dann mit Begeisterung und Leidenschaft in den Augen unermüdlich über die Bauern, den Kakao und die Schokolade. Und macht den Leuten deutlich, warum ihre Tafeln um die 9.50 Franken kostet.

Bean to bar

Bei günstiger Schokolade passieren all die Schritte um Fermentation und Trocknung mit viel weniger Sorgfalt. Das funktioniert, weil daraus keine Bean-to-bar-Schokolade
entsteht wie jene von Laflor. Bei der Bean-to-bar-Methode kommen die ganzen Bohnen in der Manufaktur an und werden dann zu Tafeln. Das ist normalerweise nicht so. «Industrieschokolade ist in der Schweiz sowie in den meisten anderen Ländern allgegenwärtig. Über 65 Prozent des gesamten Weltkakaos werden von lediglich drei Grosskonzernen eingekauft und komplett automatisiert zu einem einheitlichen Zwischenprodukt, der Kakaomasse, verarbeitet. Diese wird dann an weitere Grosskonzerne verkauft, die daraus Couverture erstellen, die dann weiter vom Confiseur in Formen gegossen wird oder zu Pralinen verarbeitet wird», beschreibt es etwa die ehemalige Online-Handelsplattform von Bean-to-bar-Schokolade, The Small Batch Project.

Bis jetzt hat Laflor die Kundschaft, die bereit ist für ihre Art der Tafeln mehr zu bezahlen. Und damit nicht nur die Manufaktur, sondern auch Bäuerinnen und Bauern in den Anbaugebieten und die Projekte zum Schutz des Regenwaldes und alter Sorten zu unterstützen Schälchli selbst scheint auch im fünften Geschäftsjahr von Laflor nicht müde. War sie eigentlich schon immer so begeistert für Schokolade oder wie kam es zu diesem Projekt? Sie interessiere sich für viele Lebensmittel. Auch Wein, Bier und Käse finde sie spannend. Schokolade gefalle ihr aber besonders, «sie hat etwas Herzöffnendes». 

laflor.ch

 

Unsere geliebte Milchschokolade

Niemand isst mehr Schokolade als Schweizerinnen und Schweizer: 11 kg pro Jahr und Person. Die beliebteste Sorte ist Milchschokolade. Schokoladenmanufakturen und -fabriken fügen für deren Herstellung ihrer Kakao-Zucker-Mischung normalerweise Milchpulver zu. Nur Cailler verwendet Kondensmilch, weshalb diese Schokolade etwas anders schmeckt. 57 Milchbauern beliefern das Unternehmen im freiburgischen Broc. Sie produzieren nach IP-Suisse-Richtlinien Wiesenmilch. Alle befinden sich im Umkreis von 30 km um die Firma. Einer davon ist Vincent Maudonnet aus Bossonnens im Kanton Freiburg. Er ist der Präsident der Association des Producteurs livrant leur lait à Nestlé Broc (etwa: Vereinigung der Produzenten, die ihre Milch an Nestlé Broc liefern).

Die 450 000 kg Milch, die Maudonnets 60 Kühe pro Jahr geben, gehen je nach Saison in die Cailler-Fabrik nach Broc oder nach Konolfingen im Kanton Bern in die Nestlé-Fabrik. Obwohl er den genauen Milchpreis nicht nennen darf, lässt Maudonnet durchblicken, dass er ein bisschen besser ist als bei anderen Milchabnehmern. Vor allem schätze er die Zusammenarbeit mit Nestlé, weil sie eine stabile Partnerin sei, sagt er. Zudem mache es ihn stolz zu sehen, was aus seiner Milch wird. «Es ist schön, am Schluss ein Produkt zu haben, mit dem ich mich identifizieren kann», sagt der Bauer.


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