Der preisgekrönte Edelwhite Gin bringt den Duft und den Geschmack von Kräutern aus dem luzernischen Entlebuch in Zürichs hippe Ausgehmeile.
Edelwhite Gin
Bilder ― Oli Hallberg, Priska Fuhrer, Attila Janes
Text ― Therese Krähenbühl-Müller
«Ich dachte, dass ich einen Schritt weiter gehen und ein typisches Entlebucher Produkt entwickeln möchte.»
Wenn Barb Grossenbacher in der Late Bloomers Bar an der Dienerstrasse im Zürcher Langstrassenquartier ihren eigenen Gin trinkt, dann trinkt sie auch einen ordentlichen Schluck Entlebuch. Von da kommt sie nämlich und auch ihr Gin, bevor er nach einigen Jahren kreativer Arbeit seinen Weg ins Late Bloomers gefunden hat. Doch alles der Reihe nach. Barbs Weg zum Edelwhite Gin begann in Kanada, wo sie geboren und aufgewachsen ist. Damals hiess sie noch Barb White, was sie später zum Namen für ihren Gin inspirierte. «Wegen der Liebe zu meinem Mann bin ich vor fast vierzig Jahren in die Schweiz gezogen», erzählt Barb Grossenbacher und trinkt noch einen Schluck von ihrem Gin.
Ein Leben lang hat sie mit ihrem Mann in der Gastronomie gearbeitet. So haben sie unter anderem zwanzig Jahre lang zusammen das Hotel Drei Könige in Entlebuch geführt. Wie viele andere Menschen auch, hatte Barb Grossenbacher, nachdem die Kinder erwachsen waren, nochmals das Bedürfnis, etwas anderes in Angriff zu nehmen. Bis an ihr Lebensende Kaffee und Bier zu servieren, konnte sie sich nicht vorstellen. Also absolvierte sie eine Ausbildung des Wine and Spirits Educational Trust. «Im Rahmen einer Abschlussarbeit sollten wir über Wein oder Spirituosen schreiben. Ich dachte, dass ich einen Schritt weiter gehen und ein typisches Entlebucher Produkt entwickeln möchte. Gin kam damals aber gerade gross in Mode, und darum entschied ich mich, meinen ganz eigenen Gin zu produzieren.»
Von Anfang an war für Barb Grossenbacher klar, dass sie mit der Genossenschaft Entlebucher Kräuter zusammenarbeiten wollte. «Es gibt vorgeschriebene Zutaten wie den Wacholder und die Zitrusaromen, die feste Bestandteile von jedem Gin sind, die müssen wir auswärts beziehen. Die Edelweiss kommen aus Savognin», erklärt Grossenbacher. «Das Geheimnis und die Essenz vom Edelwhite Gin sind aber ganz klar die sogenannten Botanicals, bestehend aus Wurzeln, Kräutern und Blüten, die von Entlebucher Bäuerinnen angebaut oder gesammelt werden.» Fünfzehn Bauernfamilien bauen im Entlebucher Berggebiet Kräuter auf insgesamt knapp zwei Hektaren an.
Vier Fünftel der geernteten Kräuter werden an Ricola geliefert, rund eine Tonne pro Jahr jedoch wird zu Teemischungen unter dem Label «Echt Entlebuch» verarbeitet und man findet sie auch bei Coop und diversen weiteren Detaillisten. Ein kleiner Teil wird direkt als Rohware, so eben zum Beispiel zum Brennen vom Edelwhite Gin, verkauft. Die Produzenten haben sich zur Genossenschaft Entlebucher Kräuter zusammengeschlossen, die von Sandra Steffen-Odermatt präsidiert wird. Ihre Kräuter lagern und verpacken sie in Entlebuch im ehemaligen Firmengebäude des Versandhauses Ackermann. Die Bäuerin Pia Bieri organisiert das Abfüllen und Weiterverarbeiten der Kräuter.
«Für uns Bauern sind die Kräuter ein wichtiger Nebenerwerb. Da wir teilweise recht steiles Land bewirtschaften und vieles von Hand machen müssen, profitieren wir davon, dass wir als Genossenschafterinnen zum Beispiel auch beim Verpacken der Tees mitarbeiten können und dafür bezahlt werden», betont Pia Bieri. Ihr Mann und sie haben den Landwirtschaftsbetrieb mit Milchkühen und Mastschweinen bereits an ihren Sohn übergeben, den sie aber weiterhin unterstützen. Zusätzlich bauen Bieris auf acht bis zehn Aren Kräuter an. «Wer Edelwhite Gin trinkt, muss sich bewusst sein, dass alle Kräuter darin von Hand gepflückt und verarbeitet werden.» Wenn ein Produkt aus ihren Kräutern wie der Edelwhite Gin bei den Konsumentinnen und Konsumenten gut ankomme, erfülle das einen mit Stolz. «Es ist schön, wenn Menschen wie Barb Grossenbacher etwas Kreatives aus unseren Kräutern machen.»
Am 11. Mai 2017 entstand der erste Batch Edelwhite Gin, wie der Brand in der Fachsprache genannt wird. Während Barb Grossenbacher ihren Gin am Anfang noch in kleinen Mengen brannte, ist daraus sechs Jahre später ein richtiges Business geworden. Gebrannt wird nicht mehr in der eigenen Garage, sondern in der Edelwhite Destillerie in Ebnet, dem Nachbarort von Entlebuch. Für den Brand werden die Kräuter in Körben in die Brennhäfen gegeben, damit die Dämpfe des hochprozentigen Alkohols durch sie hindurchgeleitet werden können und das Destillat den typischen Gin-Geschmack bekommt. Nach dem Brennen hat der Gin immer noch fast 90 Volumenprozent, die durch Verdünnen auf 42 und 57 Prozent reduziert werden.
«Das Geheimnis und die Essenz vom Edelwhite Gin sind aber ganz klar die sogenannten Botanicals, bestehend aus Wurzeln, Kräutern und Blüten, die von Entlebucher Bäuerinnen angebaut oder gesammelt werden.»
Bereits von Anfang an kam der Gin nicht nur bei Konsumentinnen und Konsumenten gut an, sondern erhielt direkt mehrere Auszeichnungen. «Das hat mich damals doch etwas überrascht», erklärt die Gin-Produzentin. Sie bezeichnet ihren Gin immer wieder gerne als ein Chamäleon, das sich dem Geschmack der Trinkenden anpasst. «Wer die Zitrusnoten schmecken möchte, schmeckt eher die, und wer die Kräuter mag, der schmeckt die Kräuter und den Duft des Entlebuchs.»
«Wer die Kräuter mag, der schmeckt die Kräuter und den Duft des Entlebuchs.»
In der Late Bloomers Bar wird dem Gin aus dem Entlebuch mit Tonics aus Griechenland ein Hauch Süden, Sommer und Wärme beigemischt. Denn die Bar wird von den drei Freunden Aineias Chilas, Stylianos Kalemis und Vangelis Dimitris geführt, die aus Griechenland kommen und sich selbst als Spätzünder, eben sogenannte Late Bloomers, bezeichnen – zumindest was ihre berufliche Karriere anbelangt. «Wir haben viel ausprobiert und in vielen verschiedenen Ländern in der Gastronomie gearbeitet, bis wir wussten, was wir wirklich wollen», stellt Vangelis fest und lacht. Durch seinen Grossvater, der in Griechenland einen Bauernhof führt, sei er früh mit der Landwirtschaft in Kontakt gekommen. «So habe ich auch die Qualität von Produkten kennen und schätzen gelernt.
Ich weiss, wie viel Liebe und Arbeit in einer Sache wie dem Edelwhite Gin steckt.» So wird dieser Gin in der hippen Bar im Zürcher Partyviertel, die zuvor übrigens ein Bordell beherbergte – die roten Lichter in den Toiletten zeugen noch davon – auch mit Liebe und Hingabe serviert. Gerade mixt Stylianos, der lieber Stelio genannt werden will, an der Bar mit dem Edelwhite Gin einen Gin Sour, füllt ihn in ein Glas und dekoriert ihn mit etwas getrockneter Melisse. So schliesst sich der Kräuterkreis, während Barb Grossenbacher ihr Glas austrinkt und sich auf den Weg zurück ins Entlebuch macht.