Hans-Jürgen Glatz vom Restaurant Hüsy in Blankenburg BE kennt sich mit dem Zerlegen von Hirschen aus. In der Küche entbeint er die Tiere für seine Gäste, im Atelier schneidet er sie aus Papier.
Wo das Wild in den besten Händen ist
Bilder ― Therese Krähenbühl-Müller
Text ― Therese Krähenbühl-Müller
«Wild ist bei uns sehr gefragt, und wir sind froh, wenn uns Jäger ihre Tiere bringen.»
Entbeinen braucht Kraft und viel Geschick. Das merkt man sofort, wenn man Hans-Jürgen Glatz, Koch und Besitzer vom Restaurant Hüsy in Blankenburg BE, bei der Arbeit zuschaut. Geschickt zerlegt er einen Hirsch, der einst ein Gewicht von 197 Kilo auf die Waage gebracht hat. «Wild ist bei uns sehr gefragt, und wir sind froh, wenn uns Jäger ihre Tiere bringen», erklärt Hans-Jürgen Glatz, während er eine dicke Scheibe Fett von einem schönen Stück Fleisch trennt. Das Fett kann er an die Puralpina AG nach Frutigen BE liefern, wo es zur Herstellung der Murmeli-Kräutersalbe verwendet wird. Diese Salbe enthält nebst Murmeltierfett auch Hirsch- oder Gamsfett.
Wild ist wichtig
Er sei darauf angewiesen, dass er 60 bis 65 Prozent von einem Tier verwenden könne, erklärt der Koch. «Sonst rentiert es für mich nicht.» Damit er möglichst viel Fleisch gewinnen kann, zerlegt er das angelieferte Wild selber. «Während meiner Ausbildung im Schwarzwald habe ich in einem Hotelbetrieb gearbeitet, in dem noch Schweine gehalten wurden. So haben wir Kochlehrlinge, anders als das heute der Fall ist, das Entbeinen der Tiere gelernt.» Die Wildsaison sei für ihn und seine Frau Marianne Ueltschi auch deshalb so wichtig, weil damit ein grosser Teil des Jahresumsatzes generiert werde. «Die Ausbeute aus der Jagd ist aber nicht in jedem Jahr gleich gross», erklärt Marianne Ueltschi. «Im letzten Jahr mussten wir lange warten, bis wir einen Hirsch angeboten bekommen haben.» Das sei fast am Ende der Jagdzeit des Hirsches gewesen. «Darauf folgt direkt die Brunft. Wenn Hirsche brünftig werden, ist das Fleisch nicht mehr geniessbar, da sie sich innerlich mit Urin verunreinigen. Zum Glück war das ein junger Hirsch, sein Fleisch war noch sehr gut und hatte keinen Geschmack entwickelt.»
Drei Hirsche zerlegt
Im August wurden dem Hüsy Wirt gleich drei Hirsche an- geboten. «Das bedeutet für mich zwar viel Arbeit, ist aber auch schön, da ich so mehr Wild servieren kann», stellt der Wirt zufrieden fest. Den Hirsch, den er gerade bearbeitet, hat ein Bauer im Niedersimmental geschossen. Die wachsende Hirschpopulation wird gerade im Berner Oberland immer mehr zum Problem, da sie Schäden an der Land- und Forstwirtschaft verursachen. Auf den Tellern der Gäste im Hüsy sorgen die Tiere aber für Begeisterung. Auf die Hirsche folgen die Gämsen und anschliessend die Rehe. Zwei Gämsböcke hängen im Kühlraum und warten darauf, vom Koch entbeint zu werden.
Scherenschnittkünstler
Hirsche und Wild im Allgemeinen spielen nicht nur in der Küche von Hans-Jürgen Glatz eine wichtige Rolle, sondern sie kommen auch immer wieder in seinen Scherenschnitten vor. Denn wenn der passionierte Koch nicht gerade an neuen Wildkreationen arbeitet, zieht er sich in seinen Arbeitsraum im ersten Stock zurück und schafft dort mit Schere und Papier filigrane Kunstwerke. Wer ihm zuvor noch in der Küche beim Hantieren mit dem schweren Messer und den grossen Fleischstücken zugeschaut hat, kommt ins Staunen, wenn man Glatz mit der feinen Scherenschnittschere am Pult sitzen sieht. «Die Leidenschaft für Scherenschnitte hat mich gepackt, als ich als Küchenchef im
‹Klösterli› in Gstaad gearbeitet habe. Ich hatte keine Vorkenntnisse und habe einfach so begonnen, in meinen Pausen Scherenschnitte zu machen. Mein damaliger Chef sagte zu mir, dass ich das doch nie lernen würde und es besser sein lassen solle.» Glatz liess sich nicht beirren und schnitt fleissig weiter. Heute, 35 Jahre später, sind seine Scherenschnitte wahre Kunstwerke und er kann sie an Kunden aus aller Welt verkaufen. Im Restaurant Hüsy hat er ein kleines Scherenschnittmuseum eingerichtet, in dem sich eine auserlesene Sammlung historischer Scherenschnitte befindet. «Ich bin stolz darauf, dass sich in dieser Sammlung der zweitälteste Scherenschnitt der Schweiz befindet. Er ist aus dem Jahre 1701.»
«Das heisst aber nicht, dass ich nicht gerne koche. Im Gegenteil. Auch in der Küche kann ich sehr kreativ sein. Aber die Scherenschnitte sind mir auch wichtig.»
Vielseitig begabt
Noch heute zieht sich der Koch in der Zimmerstunde und in den kleinen Pausen zurück in sein Atelier, wo eine angefangene Scherenschnittarbeit auf ihn wartet. Es kommt schon mal vor, dass seine Frau Marianne ihn in die Küche runterholen muss. «Das heisst aber nicht, dass ich nicht gerne koche. Im Gegenteil. Auch in der Küche kann ich sehr kreativ sein. Aber die Scherenschnitte sind mir auch wichtig.» Wenn die Gäste dann in der gemütlichen Gaststube und im Säli vom Hüsy sitzen, sind sie nicht nur von Glatz’ Kunst, die in Form von Scherenschnitten an den Wänden hängt, umgeben, sondern können diese auch auf dem Teller mit jedem Bissen geniessen.
‣ huesy.ch