2024–06–11T11:20:00GMT+0200
Tomaten

«Eigentlich mag ich die Tomaten am liebsten», stellt Samuel Müller beim Streifzug durch das grosse Gewächshaus seines Betriebs im zürcherischen Steinmaur fest. Sie seien unkompliziert, schmeckten gut und könnten zu vielen interessanten Produkten verarbeitet werden. In den vergangenen Jahren standen Müllers aber vor allem immer wieder wegen ihres Ingweranbaus im Fokus des Interesses. «Mein Vater hat den Ingweranbau damals bei einer Reise nach Amerika entdeckt. Er sagte sich, dass das auch bei uns funktionieren sollte, und begann, Ingwer zu pflanzen.» So sei es bei vielen Sachen gewesen. Sein Vater habe einfach mutig immer wieder Neues ausprobiert. «Das ist eine Stärke. Gleichzeitig muss man aufpassen, dass man sich nicht verzettelt und dabei ausbrennt.» Beim Ingwer schien Stephan Müller aber genau den richtigen Riecher gehabt zu haben. Mittlerweile wird er nicht nur frisch ab Hof verkauft, sondern auch zu zahlreichen Produkten wie Direktsaft und Sirups verarbeitet. «Jetzt erkennt man noch nicht viel davon», erklärt Samuel Müller und beugt sich zu einer Ingwerpflanze im Gewächshaus. «Ernten können wir erst im September.»

«Mein Vater hat den Ingweranbau damals bei einer Reise nach Amerika entdeckt.»

Samuel

Samuel Müller führt als Betriebsleiter das Unternehmen seiner Familie in Steinmaur.

Den Boden pflegen

Aktuell sind es andere Gewächse, die den Betriebsleiter auf Trab halten. Auf den Feldern des rund 65 Hektaren grossen Betriebs in Steinmaur, auf dem bis zu 100 Menschen arbeiten, wird eifrig von den Gastarbeitern aus dem rumänischen Siebenbürgen Gemüse gepflanzt. Andere Felder müssen noch vorbereitet werden. «Eine saubere Bodenaufbereitung ist im Bioanbau sehr wichtig», erklärt Müller. Da ein Biobetrieb ohne Herbizide auskommt, sollen die Felder beim Pflanzen und Säen unkrautfrei sein. Der Betriebsleiter ist mit seinem Auto zu einem Feld gefahren, auf dem gerade eine Gründüngung, die überwintert hat, bearbeitet wird. «Hier ist das Prinzip so, dass der Mulcher vorne am Traktor die Pflanzen zerkleinert und sie hinten mit der Bodenfräse flach abgeschält werden. Anschliessend kann der Boden mit der Spatenmaschine und der Egge weiterbearbeitet werden. Zu seinem Schutz wird der Boden nur noch bis zu einer Tiefe von maximal 15 Zentimetern bearbeitet. So haben wir viel organisches Material in den ersten Schichten.» Daraus entstehe eine sehr gute Bodenkrümelstruktur. 

Feld

Auf den Feldern des Betriebs wird Gemüse gepflanzt.

Menge ist entscheidend

Einen Gemüsebetrieb zu führen, sei nicht immer einfach, gesteht Müller. «Das Thema Saisonalität ist zum Beispiel eine grosse Herausforderung. Gerade in der Bioproduktion ist man vielleicht noch mehr als in der konventionellen Landwirtschaft vom Wetter abhängig. Das kann belastend sein.» Bereits sein Grossvater habe von der Milchwirtschaft auf die Gemüseproduktion umgestellt. «Lange Zeit konnten wir vor allem an einen Grossverteiler liefern. Als dort die Regionen neu eingeteilt wurden, fielen wir mit dem Frischgemüse raus. Das waren schwierige Zeiten für meinen Vater.» Eine spannende Zusammenarbeit ergab sich u. a. mit Coop, der im Rahmen des Regio-Booms auf sie zugekommen sei. «Wir erhielten bei den verarbeiteten Hofprodukten einen stärkeren Absatzkanal und konnten grössere Mengen produzieren und entsprechend etwas aufrüsten. Wir machen immer noch keine Industrieproduktion. Aber es bringt einem schon etwas, weil mit mehr Menge die Effizienz gesteigert werden kann.» 

«Wenn unsere Bioerdbeeren einem Sommergewitter zum Opfer fielen und nicht mehr verkauft werden können, trocknen wir sie.»

Für den Anbau sind Saisonarbeiter im Einsatz.

Setzlinge warten darauf, in den Boden zu kommen.

Gemüseabo und Hofladen

Mit ihrem Hof, der direkt vor den Toren Zürichs gelegen ist, und ihren Produkten, die sie gleichzeitig direkt vermarkten, aber auch über Grossverteiler verkaufen, sind Müllers Grenzgänger zwischen Stadt und Land. «Früher war Steinmaur noch viel weiter von der Stadt entfernt, jetzt ist sie uns entgegengewachsen», stellt Müller fest. Die Wahrnehmung von Bioprodukten und auch das Verhalten der Konsumenten habe sich gewandelt. «Als ich ein Kind war, war das noch ganz anders.» So ist auch der Hofladen, in dem Müllers nicht nur Gemüse aus eigenem Anbau, sondern auch diverse weitere Bioprodukte, Fleisch, Backwaren, Kosmetika und Geschenkartikel verkaufen, ein wichtiger Betriebszweig. «Bereits mein Grosi hat den Hofladen betrieben. 2012 haben wir ihn vergrössert. Alles, was man lokal bekommt, kaufen wir lokal ein. Zudem haben wir das Angebot zu einem Biovollsortiment ergänzt.» Direkt daneben ist das Stallkaffee gelegen, in dem nicht nur Kaffee und Kuchen genossen, sondern auch Geschenkartikel und Kinderspielsachen gekauft werden können. Auch das Gemüseabo, mit dem man sich wöchentlich frisches Gemüse liefern lassen kann, kommt bei der Kundschaft gut an.

Baum

In der Gärtnerei werden auch exotische Gewächse wie Zitrusfrüchte verkauft.

Soziales Engagement

Zusätzlich bietet die Familie Müller auf ihrem Betrieb und in ihrer Gärtnerei Lehrstellen für Menschen an, die den Sprung in eine EFZ-Lehre nicht geschafft haben. «Manche Menschen schaffen den Einstieg ins Berufsleben nur schrittweise. Aus diesem Grund bieten wir begleitete Ausbildungen als Partnerbetrieb von axisBildung an», erklärt der Betriebsleiter. Im Rahmen dieser sozialen Arbeit könnten im Winter die Produkte verpackt werden, die im Sommer geerntet wurden. «Wenn zum Beispiel unsere Bioerdbeeren einem Sommergewitter zum Opfer fielen und nicht mehr verkauft werden können, trocknen wir sie. Die getrockneten Früchte werden dann von den Lernenden verpackt.» Gerade in diesem Bereich sieht sich Samuel Müller oft in einem Spannungsfeld. «Da ist man einerseits Lieferant für einen Grossverteiler und hat es anderseits mit Menschen zu tun, die nicht ganz ins gängige Schema passen und ihr eigenes Tempo haben.» Nach aussen hin würden die vielen verschiedenen Betriebszweige mittlerweile als harmonisches Ganzes wirken. «Wir sind und bleiben ein dynamischer Betrieb und sind bemüht, die Balance zu halten zwischen Wirtschaftlichkeit und sozialem Engagement.»
 

mueller-steinmaur.ch

Gemüseladen

Blick auf das Gemüsesortiment von Müllers Hofladen in Steinmaur.

Hofladen

Der Hofladen wurde bereits von Samuel Müllers Grossmutter betrieben.


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