Für viele Menschen ist Kaffee der Zaubertrank Nummer eins oder zumindest der Grund, am Morgen überhaupt aufzustehen. Doch Kaffee hat auch seine Schattenseiten und es ist wichtig sich zu fragen, woher der Wachmacher in der Tasse kommt. Das haben auch Andrew Katumba und Nadja Tan getan und ihre eigene Kaffeemarke Isule gegründet.
Isules faire Kaffeeproduktion
Bilder ― Patrick Rohr
Text ― Therese Krähenbühl-Müller
«Kaffee ist nicht nur Kaffee. Er ist ein Genussmittel, in das viel Handarbeit und Zeit investiert wird.»
«Schweizer Bauer»-Magazin: Wie ist Ihre Leidenschaft für Kaffee entstanden?
ANDREW KATUMBA: Nadja und ich sind leidenschaftliche Kaffeetrinker. In unserem damaligen Lieblingskafi – dem Grande am Limmatquai 118 in Zürich – haben wir uns nach Jahren mal gefragt, wie der Kaffee in seiner ursprünglichen Form aussieht und wie er wächst. Auch wollten wir wissen, woher der Kaffee in unserer Tasse stammt. Wir haben es uns zur Angewohnheit gemacht, in jedem Café zu fragen, woher die Kaffeebohnen stammen. Leider bekamen wir meistens nur ein Achselzucken und im besten Fall die Kaffeemarke als Rückmeldung. Diese Aussagen befriedigten uns jedoch nicht. Es kann doch nicht sein, dass wir mit einem durchschnittlichen Kaffeekonsum – in der Schweiz sind es rund 1070 Tassen pro Person und Jahr – keine Ahnung haben, von wo der Kaffee kommt und wie er angebaut wird.
Wie ging es weiter?
Im Jahre 2015 haben wir auf unserer Reise durch Westuganda eine Kaffeeplantage entdeckt, die uns sogleich begeistert hat. Die Kaffeebäume waren Bestandteil eines bunten Gartens, in dem auch verschiedene andere Nutzpflanzen wie Chili, Yamswurzeln, Vanille und Kartoffeln wuchsen. Der Kaffeebauer Exavier Bawandeke erläuterte uns, wie die kleine Kooperative die Felder bewirtschaftet und wie sie die Kaffeebohnen verarbeitet und trocknet. Wir waren sogleich angetan davon, wie sorgfältig die Plantage trotz der beschränkten Mittel bewirtschaftet wird. Daraufhin haben wir beschlossen, einen Sack Rohkaffee in die Schweiz zu nehmen. Zurück in Zürich liessen wir die Muster rösten und von einer Spezialistin für Qualitätskontrolle überprüfen. Die Ergebnisse haben uns positiv überrascht. Beim Cupping, so nennt man das Verkosten des Kaffees, konnten zahlreiche Aromen wie Karamell, Aprikose und Johannisbeere herausgeschmeckt werden. Da haben wir entschieden, dass wir versuchen wollen, unseren eigenen Kaffee zu produzieren.
Was bedeutet Isule und wer oder was steht dahinter?
Isule ist das Dorf in Westuganda, von wo wir den Kaffee beziehen. Wir haben bewusst entschieden, dass die Marke jener Ort sein soll, woher der Kaffee auch stammt. Ganz dem Terroir-Gedanken verpflichtet. Hinter «Isule» stecken nun mittlerweile fünf kleine Familienkooperativen, die für uns den Kaffee anbauen. Dabei entwickeln wir die verschiedenen Sorten entlang der unterschiedlichen Verarbeitungsmethoden, die dann auch einen individuellen Geschmack ergeben.
Wie haben Sie Ihr Unternehmen aufgebaut?
Wir haben unser Projekt zum ersten Mal am eco-Naturkongress in Basel vorgestellt. Zu Beginn wollten wir den Kaffee direkt an die Röstereien in der Schweiz verkaufen. Doch alle haben abgewunken. Der Kaffee war ihnen zu teuer, obwohl die Qualität sie von Beginn weg überzeugt hatte. Da haben wir gewusst, dass wir gegen die Übermacht der grossen Handelsfirmen keine Chance haben. Wir mussten eine eigene Nische finden. Zusammen mit der Firma Gebana, die für den fairen Direkthandel mit Produkten aus dem Süden bekannt ist, haben wir ein Crowdfounding gestartet. Über die Plattform Marktzugang haben wir nach 90 Tagen rund 600 Vorabbestellungen erhalten. All die potenziellen Kunden haben den Kaffee vorab bestellt und bezahlt. Und als Gegenleistung erhielten sie den Kaffee nach sechs Monaten direkt nach Hause geliefert. Der Erfolgt dieses ersten Projektes gab uns die Bestätigung, dass wir weitermachen sollten. Nach sechs Jahren Aufbauarbeit können wir langsam von den Einnahmen leben. Das Kaffeegeschäft ist sehr kompetitiv. Es gibt sehr viel guten Kaffee, und es braucht viel Zeit und noch mehr Durchhaltewillen, sich im Markt zu behaupten.
«Wir haben es uns zur Angewohnheit gemacht in jedem Café zu fragen, woher die Kaffeebohnen stammen.»
Warum sollte man achtsam Kaffee konsumieren?
Achtsamkeit ist zurzeit in aller Munde. Die Konsumentinnen und Konsumenten achten darauf, was sie essen und wie viel es kostet. Kaffee ist nicht nur ein Muntermacher. Er ist auch ein Genussmittel, wofür man auch etwas mehr ausgeben darf. Der Rohkaffeehandel hat sich in den letzten Jahren erheblich gewandelt. Mit der Thirdwave-Bewegung gelingt es auch kleinen Händlern, direkt von den Kaffeekooperativen zu kaufen. Dies vor allem aus drei Gründen. Erstens stehen wir mit der Verbreitung von Handys und Mobilfunknetzen nun direkt mit unseren Kaffeebauern in Kontakt. Zweitens können wir die Kaffeebauern direkt übers Handy bezahlen. Früher waren die Wechselkurse und Bankspesen teilweise unerhört hoch. Drittens kann mit dem Direktimport der Zwischenhandel ausgeschaltet werden. In der Regel wird der Kaffee rund 14-mal gehandelt, bevor er bei uns in die Tasse tropft. Auch hatten die Bauern keine Kontrolle darüber, ob ihre Ware mit anderen Sorten von niedriger Qualität vermischt wurde. Dies kann nun ausgeschlossen werden.
Ist Ihr Kaffee darum relativ teuer?
Bei uns bestimmt die Kooperative den Preis für das Kilo Kaffeebohnen. Wir kehren das Businessmodell um. Die Bauern wissen am besten, wie viel sie und ihre Familien benötigen. Wir sorgen auf der anderen Seite für den Marktzugang in der Schweiz. Im Gegenzug geben wir verschiedene Richtlinien vor. Erstens muss der Kaffee nach biodynamischen Richtlinien angebaut werden. Dabei spielen die natürlichen Ressourcen eine wichtige Rolle. Zweitens achten wir beim Einkauf auf eine ausgewogene Verteilung der Einkünfte unter Frauen- und Männergruppen. Drittens muss die Qualität in der Tasse den Richtlinien der Speciality Coffee Association entsprechen und eine Punktzahl von mindestens 85 Punkten erreichen. Die Punktzahl ist eine international verbindliche Richtlinie für die Qualität des Kaffees in der Tasse. Wir legen bei uns die gesamte Kalkulation von der Farm bis in die Tasse offen. Somit haben unsere Kundinnen und Kunden einen direkten Einblick, wie der Kaffeepreis zusammengesetzt ist. Wir sind der Meinung, dass die Transparenz der Schlüssel für einen fairen Handel ist.
«Denn mit der Achtsamkeit steigt auch die Wertschätzung dem Produkt gegenüber.»
Warum hat Ihr Kaffee kein Biolabel?
Wie gesagt, wird unser Kaffee – wie übrigens der meiste Kaffee in dieser Region – ohne künstliche Düngermittel und Pestizide angebaut. Die Bauern können sich den Dünger gar nicht leisten. Wir hatten uns zwar mehrmals überlegt, ob wir uns für ein Biolabel bewerben sollten, haben aber die Idee nach den ersten Abklärungen begraben. Der Aufwand und auch die jährlichen Kosten stehen in keinem Verhältnis und würden den Kaffeepreis weiter in die Höhe treiben. Grundsätzlich finden wir das Biolabel ein gutes Instrument, insbesondere bei Massenprodukten. Dennoch garantiert keines der Labels die soziale Wohlfahrt der Bauern. Wir sind der Ansicht, dass wir die Kosten lieber einsparen und den Bauern direkt zurückführen – zum Beispiel in der Form von Weiterbildungen oder Investitionen für die Infrastruktur.
Sie investieren viel Zeit in Ihren Kaffee. Warum?
Wir verfolgen bei Isule eine konkrete Vision. Wir wünschen uns, dass alle Konsumentinnen und Konsumenten unserem Beispiel folgen und von den Gastronomen verlangen, dass sie die Herkunft des Kaffees ähnlich wie beim Fleisch, Fisch oder dem Wein offen deklarieren. Denn mit der Achtsamkeit steigt auch die Wertschätzung dem Produkt gegenüber. Und mit der Wertschätzung steigt auch die Bereitschaft, etwas mehr für den Kaffee zu bezahlen. Denn Kaffee ist nicht nur Kaffee. Er ist ein Genussmittel, in das viel Handarbeit und Zeit investiert wird.