Das Fleisch von Angusrindern gilt als besonders gut, nicht zuletzt, weil die Tiere praktisch nur Gras oder Heu fressen. Das ist auch aus ökologischer Sicht sinnvoll. Dort zubereitet, wo die Tiere fressen, schmeckt das Fleisch tatsächlich köstlich – selbst weniger edle Stücke.
Wie aus Gras Fleisch wird
Bilder ― Florian Spring
Text ― Julia Spahr
Die graslastige Ernährung entspricht den Angustieren, die ursprünglich aus Schottland kommen. Anders als andere Rassen können sie Gras und Heu in eine gute Fleischqualität umwandeln.
Es gibt Brot mit einem Namen aus dem Berner Mattequartier. «Ligu Lem» heisst es, was in der quartiereigenen Geheimsprache «Stück Brot» bedeutet. Darauf ist hausgemachte Hagebuttenkonfitüre, Emmentaler Käse und Fleisch von Schweizer Angusrindern. Wegen Letzterem sind wir hier. Das Fleisch dort zu essen, wo es herkommt, ist die Idee. Aus Leimiswil im Kanton Bern, in den Hügeln des Oberaargaus. Damit es besonders authentisch zubereitet wird, sind Chris Bay und Monika Di Muro mitgekommen. Die Feuerköche von Chillfood haben ihre mobile Feuerküche aufgebaut. In drei schwarzen Feuerschalen lodert ein Feuer und darauf brät in einer schweren Eisenpfanne dünngeschnittenes Fleisch der Angustiere. Mit frischem Lorbeer und Knoblauch.
Wer dieses Sandwich isst, isst damit ein Stück der Umgebung und der Saison. Da ist die Hagebuttenkonfitüre aus den aromatischen, herbstlichen Früchten, da ist der Emmentaler, der unter anderem in dieser Gegend produziert wird, und da ist vor allem das Fleisch. Das könnte nicht regionaler sein. Während die Bavette – ein auf bestimmte Art aus dem Rippenbereich unter dem Filet herausgeschnittenes Stück Fleisch – auf dem Feuer bald gar ist, grasen direkt dahinter auf den noch sattgrünen Hügeln vor den gelb-rot gewordenen Blättern des Waldes stattliche, schwarze Angus.
Sie gehören zum Betrieb der Familie Röthlisberger. Rund 200 Tiere dieser Rasse halten sie. Dazu gehören Kühe mit ihren Kälbern, Rinder, ein Zucht- und Mastmunis.
Bernhard Röthlisberger und sein Vater Peter führen eine Generationengemeinschaft und halten seit über 20 Jahren Angus-Kühe. Und sie werden daran festhalten. «Weil es eine Zukunftsrasse ist», wie Bernhard Röthlisberger sagt.
Er bezieht sich damit auf die Fütterung der Tiere und die Fleischqualität.
«Auch weniger edle Stücke, wie das Fleisch vom Feuer, die Bavette, schmecken köstlich.»
Röthlisbergers produzieren das Fleisch für das Label Swiss Black Angus der IP-Suisse (erhältlich bei der Migros, bei Luma Delikatessen, in einigen Metzgereien und Restaurants). Wer sein Angusfleisch über diesen Kanal vermarkten will, muss bestimmte Auflagen erfüllen. Das tut er. Er betreibt Mutterkuhhaltung. Die Kälber sind während ihren ersten zehn Lebensmonaten mit den Müttern auf der Weide. Sie trinken Milch und fressen Gras. Im Frühling und Herbst machen sie das auf den rund 50 Hektaren um den Hof. Im Sommer auf der Alp eines Militärkollegen von Bernhard, im Winter sind sie im Laufstall.
Sind Röthlisbergers Kälber zehn Monate alt, kommen sie unabhängig von der Saison in den Laufstall, wo sie über ein halbes Jahr «ausgefüttert» werden, wie es heisst. Sie bekommen aber auch im Stall kein Kraftfutter, nur etwas Mais. Grassilage und Heu machen 80 Prozent ihrer Ernährung aus. Wenn sie ein Gewicht von 600 kg haben, werden sie im Schlachthof der Lucarna Macana im zürcherischen Hinwil geschlachtet.
Die graslastige Ernährung entspricht den Tieren, die ursprünglich aus Schottland kommen. Anders als andere Rassen können sie Gras und Heu – sogenanntes Raufutter – in eine gute Fleischqualität umwandeln. Angusfleisch weist intramuskuläres Fett auf, Hohrückensteaks und Filets sind dadurch «marmoriert», wie es im Fachjargon heisst. Auch weniger edle Stücke, wie das Fleisch vom Feuer, die Bavette, schmecken köstlich. Zwar haben sie etwas mehr Biss, sind aber besonders intensiv im Geschmack.
Die graslandbasierte Ernährung ist aber nicht nur gut für den Geschmack des Fleischs und der Rasse angepasst, sie ist auch ökologisch. Gras wächst in hügeligen Gebieten und auf Alpen, wo in der Regel kein Getreide oder Gemüse, das die Menschen direkt essen könnten, angebaut werden kann. Was die Tiere fressen, steht also häufig nicht in Konkurrenz mit menschlicher Nahrung. Die Tiere wandeln das Gras in Fleisch um, das wir wiederum essen können.
«Der ökologische Aspekt gehört zu den Grundpfeilern der Organisation IP-Suisse, unter deren Dach das Label Swiss Black Angus angesiedelt ist.» Das sagt Daniel Niklaus, Er ist Projektleiter von Swiss Black Angus und gehört zu den Gründervätern der IP-Suisse. Die Organisation setzt sich zum Ziel, den Ausstoss von Treibhausgasen (CO2-Äquivalente) auf ihren Bauernhöfen um 10 Prozent zu senken, ohne die landwirtschaftliche Produktion zu beeinträchtigen. Früher war auch Niklaus Bauer und hielt Angus. Jetzt steht er auf dem Betrieb der Familie Röthlisberger und blickt zur Herde der schwarzen Tiere. Mittlerweile hat es zu regnen angefangen über den grünen Hügeln.
Die Tiere drängen sich an den Rand der Weide und finden Schärmen unter den Bäumen. Niklaus spannt einen Schirm auf, auf dem der Marienkäfer, das Logo der IP-Suisse, prangt. Bäuerinnen und Bauern, die für das Label produzieren, müssen sich stärker im Bereich Biodiversität engagieren als es der ökologische Leistungsnachweis (ÖLN) verlangt. Der ÖLN ist die Grundvoraussetzung, die Bauernbetriebe erfüllen müssen, um Direktzahlungen zu erhalten. Wer nach IP-Suisse produziert, kann aus einem Katalog von verschiedenen Massnahmen auswählen, um die Biodiversität auf dem Betrieb zu fördern.
Bernhard Röthlisberger trägt auf seinem Betrieb zum Beispiel mit seinen rund 150 Hochstammbäumen, in denen unter anderem Vögel Nistplätze finden, zur Biodiversität bei. Zudem sät er Buntbrachen. Das sind mehrjährige, mit einheimischen Wildkräutern angesäte Flächen oder Streifen auf Ackerland. Oder er mäht das Gras mit Methoden, die Vögel und Insekten möglichst wenig stören.
Dass das Label tatsächlich besser ist als andere und dass es sich bei den Aussagen von Niklaus nicht nur um Marketing handelt, belegt zum Beispiel die Studie des WWF, die verschiedene Labels nach den Kriterien Glaubwürdigkeit, Umweltverträglichkeit, Sozialverträglichkeit, Umweltfreundlichkeit und Tierwohl beurteilt und eine Empfehlung an Konsumentinnen und Konsumenten abgibt. Als «sehr empfehlenswert» beurteilt der WWF tierische Produkte von IP-Suisse. Zum Vergleich: Bio-Knospe ist mit «ausgezeichnet» noch etwas besser, Regio-Garantie zum Beispiel jedoch nur «bedingt empfehlenswert».
Der Aspekt «Tierwohl» bekommt. in der WWF-Studie die höchste Punktzahl. «Sie fressen, was hier wächst. Sie sind draussen und können sich bewegen», sagt Röthlisberger. Auch wenn die Masttiere die zweite Lebenshälfte im Stall verbringen. «Es ist ein Freilaufstall, sie können jederzeit nach draussen und haben genug Platz», so der Betriebsleiter. Dass sie nicht ihr ganzes Leben über auf der Weide sind, und gezielt gefüttert werden, mache auch die Qualität des Fleischs besser und vor allem stabiler. «Das merkt man einfach», sagt Röthlisberger. Er isst kein Rindfleisch mehr ausser das der eigenen Tiers. Geht er auswärts, bestellt er Schwynigs.
Während er spricht, packen die Feuerköche Chris und Monika – sie bestehen darauf, beim Vornamen genannt zu werden («am Feuer sind alle gleich») – langsam ihre Ausrüstung zusammen. Sie sind es gewohnt, an ausserordentlichen Schauplätzen zu kochen und legen Wert darauf, dass die Zutaten aus der Region stammen. Wenn sie so lokal sind wie in diesem Fall, begeistert sie das besonders. «Es ist einfach grossartig», sagt Chris. So kreiere man unvergessliche Momente. Und das mache doch das Leben aus, zusammen am Feuer zu sein und Produkte aus der Umgebung zu essen.
Als er das sagt, kommt der Muni aus dem Schärme getrottet – es hat mittlerweile aufgehört zu regnen. Das Tier schaut zum Feuer rüber und beginnt zu «mööggen», wie man sagt. Was er wohl hat. Ob er seine Artgenossen betrauert oder ob er einfach seine Präsenz markieren will. Wohl Letzteres. Trotzdem geht einem kurz durch den Kopf, wie vertretbar es ist, diese Tiere zu töten, um sie zu essen.
Es ist eine komplexe, ethische, fast religiöse Frage. Fressen die Tiere vor allem Gras, werden sie gut gehalten, und wenn wir wiederum auch die weniger edlen Fleischstücke essen, ist es für viele Menschen, auch für jene, die sich mit Nachhaltigkeit auseinandersetzten, vertretbar. Auch Niklaus von IP-Suisse hat für sich eine Antwort gefunden. Seine Botschaft: «Ässet gopferdeli weniger, drfür guets Fleisch.»
Die Feuerköche
Chris Bay und Monika Di Muro haben vor 12 Jahren die Firma Chillfood gegründet. Engagiert man sie etwa für ein Fest, kommen sie mit ihrer Ausrüstung, der «Feuerküche», und ihrem Team an noch so entlegene und ungewöhnliche Orte. Sie waren bereits in Steinbrüchen, auf Strassenkreiseln oder im Bärengraben. Seit fünf Jahren betreiben sie zudem eine Lokalität mit den Namen Füüri unter der Berner Lorrainebrücke direkt an der Aare und befeuern sie, wie sie sagen. Hier führen sie regelmässig Events durch und kochen für und mit Gästen an Firmenanlässen, an Hochzeiten oder an Geburtstagen. Immer ist ihr Herd das Feuer. Und immer sind ihre Zutaten einfach, aber von bester Qualität und möglichst aus der Region. Auch die Holzkohlen beziehen sie nicht aus dem Ausland, sondern von Köhlern aus der ganzen Schweiz. «Das kostet uns etwa doppelt so viel wie Kohle aus dem Ausland. Aber das ist eine Entscheidung, die wir aus ethischen Gründen treffen. Dafür zahlen wir gern mehr», sagt Chris. Ihnen liegt die Nachhaltigkeit am Herzen. Und die Einfachheit. Sie achten darauf, keinen Abfall zu produzieren und möglichst wenig Besteck und Teller zu verwenden. Wenn es aus Hygienegründen möglich ist, sollen die Leute direkt aus den Töpfen und Schüsseln essen. Das bringe sie näher zueinander. Und am Feuer seien alle gleich. Sie zeigen zudem, dass Feuerkochen weit mehr ist als Grillieren. Darüber hinaus kann man auf dem Feuer sieden, blanchieren, dampfgaren, dünsten, pochieren, backen oder schmoren.
Monika und Chris haben sich diese Techniken alle selbst angeeignet. Sie kommen beide ursprünglich nicht aus der Gastronomie. Monika ist Katechetin und Chris ETH-Ingenieur mit Doktortitel. Auf der Suche nach den besten Feuerkoch-Techniken und -Rezepten sind sie um die Welt gereist. «Wir waren in über 100 Ländern und haben mit Menschen auf dem Feuer gekocht. Wir haben zugehört, geschaut und gelernt und unzählige Rezepte aufgeschrieben.»
Diese und ihr Wissen rund ums Kochen kann man in zwei von ihnen geschriebenen Kochbüchern nachlesen. Zurzeit arbeiten sie am dritten.
Buch 1: Chris Bay, Monika Di Muro, «Feuerküche.
Genussvoll kochen über offenem Feuer», 3. Auflage 2022.
Buch 2: Chris Bay, Monika Di Muro, «Feuerkochen.
Rezepte und Techniken für das Kochen über offenem Feuer»,
2. Auflage 2023, AT-Verlag.